Reservoire späterer Tage

Eine interaktive Installation

Installation: grow box mit grow light, Artefakte aus Holz und Glas, Text-Fragmente auf vergilbtem Papier, Video-Loop himmelfahrt via QR-Code, Sound-Collage growing plants 3.20 Min. via Kopfhörer mit der weiblichen Stimme von Elena Fellisch. 

Ausstellung BBK Bonn Rhein-Sieg e. V. Fabrik 45 Bonn 2.03. – 12.03.2023

RESERVOIRE SPÄTERER TAGEeine interaktive Installation

Die Installation verbindet alle Medien, mit denen ich arbeite: installatives Szenenbild, Text, Sound, Video. Die Installation ist begehbar, ein indoor-Gewächshaus ausgeleuchtet mit Pflanzzucht-Licht. In ihrem Inneren lässt sich der Kern freilegen: eine handschriftlich auf vergilbtem Papier notierte Chronik, die von inneren Wildnissen und utopischen Kooperationen nach einer ökologisch-ganzheitlichen Wende in der Zukunft erzählt. In diesem narrative space en miniature können Betrachter*innen zu Mitspieler*innen werden. Aus den vorgefundenen Text-Fragmenten können sie eine kollektiv erzählte Geschichte entstehen lassen, indem sie eigene Betrachtungen in der Installation schreiben und für die Reservoire hinterlassen. In direktem Dialog vor Ort und einem indirekten Dialog nachzeitig werden alle Texte von mir zu einer gemeinsamen Geschichte zusammengeführt.

Die Installation zeigt einen Material-Clash aus Künstlichkeit und Gebrauchsgegenständen wie Relikte vergangener Zeiten. Sie ist sinnlich, sie kann erfühlt, umgeräumt und schreibend ergänzt werden. Eine Sound-Collage, die das Widerständige unserer Sicht auf Eigensinn und kollektive Einheit thematisiert und ein Video-Loop, der ein sisyphoshaftes Streben nach Wiederauf(er)stehen beschreibt, eröffnen weitere Perspektiven. Die Installation fragt danach, in welche Zukunft wir gehen.

Reservoire späterer Tage – die Utopie

Nachdem die Klima-Kriege vorbei waren, hatte sich die Welt neu geordnet. Wir waren nur noch wenige. Viele Völker waren vernichtet worden und mit ihnen ihre Kulturen und ihre Regeln. Das Alte war zerstört. Für uns war das ein Segen.

Wir Menschen waren nicht nur durch unsere Kriege zugrunde gegangen. Stürme, Überschwemmungen, Dürren und Seuchen hatten ganze Kontinente nahezu entvölkert. Wir starben an unserer Gier und unserem ausbeuterischen Verhalten, an unserer Trägheit und Ignoranz und an unserer Scham, all das zu sein.

Wie in einer stummen Übereinkunft, ohnmächtig und blind, doch zugleich wissend, wählten wir das Chaos. Wir entthronten uns selbst. Stoisch sahen wir unserem Untergang entgegen. Das Anthropozän war das Zeitalter, in dem die Spezies Mensch fast ganz von der Erde verschwand.

Es hat uns überrascht, dass es nicht die Zivilisationen mit den fortschrittlichsten Technologien waren, die überlebten, sondern wir vald geborene.

Wir haben schon immer gespürt, dass wir nur ein Teil von etwas viel Größerem sind. Nie haben wir mehr begehrt als das, was wir für unser Überleben brauchten. Wir haben gar nicht gewollt, was die anderen hatten. Deshalb waren wir frei und sind es noch.

Während der Kriege und Katastrophen versteckten wir uns tief in den Wäldern, die wie durch ein Wunder verschont geblieben waren. Anfangs noch irrten wir verloren umher, ein kalter Hauch zeigte sich auf unserer Haut. Wir starrten in die Schatten des Unterholzes, erschauerten und riefen mit erstickten Stimmen. Dann hielten wir uns an den Bäumen fest und lauschten ihrem Sein. Das tröstete uns. Und wir begannen, zu begreifen.

Für die anderen waren die Wälder beängstigend, eine Wildnis, ungezähmt und unergründlich, etwas, das sie nicht kontrollieren konnten und deshalb zerstören wollten. Wir haben gelernt, zu verzeihen. Versöhnung brachte den Frieden.

Nun sind die Wälder wieder fruchtbar, sie wachsen und gedeihen, es ist das Fest der Verwandlung. Hier ernährt sich Alles von Allem, gibt sich hin, verschenkt sich, wird getötet und verdaut, vertraut darauf, wiedergeboren zu werden. Aus Verendetem wächst ein neuer Leib, in müden Erden kriechen Schlingen und Wurzeln, steigen empor in schäumendes Grün und modrige Fäulnis wandelt sich zu betörendem Duft.     

Auch wir geben uns hin, spenden unsere verletzlichen Leiber und unseren träumenden Geist. Jetzt haben wir keine Angst mehr. Auch nicht vor dem Schmerz. Wir fühlen und handeln nicht mehr allein für uns selbst, wir sind Alles, deshalb geben wir Alles. Mit unserem Fleisch, unseren Knochen und unserer Ehrfurcht nähren wir den Humus, aus dem wir und Alles neu entstehen kann.

Wir sind glücklich, in die Chronik des Vergehens und des Werdens eingeschrieben zu sein, und wie die Kronen der Bäume streben wir zum Licht. Alles was du brauchst, ist hier. Was nährt dich? Was wählst du?

Partizipative Kunst-Aktionen in der Fabrik 45 in Bonn
Nicole Heidel (Live-Text-Composing) in Zusammenarbeit mit der Mixed-Media-Künstlerin Stefanie Manhillen (Live-Zeichnen) am 04.03.23 und dem Musiker Cami Donneys (Live-Music-Composing) und der Künstlerin Larissa Lae (Vocals) am 12.03.23.